Dekompressionskrankheit
Die Dekompressionsphase
Während des Abstiegs und des Aufenthalts in der Tiefe atmet der Taucher Luft unter einem erhöhten Druck,
wobei der Stickstoff vermehrt physikalisch gelöst wird. Der Franzose P. Bert untersuchte schon 1878 die
physiologischen Folgen der Einwirkung komprimierten Stickstoffes auf den menschlichen Organismus und
stellte fest, daß der Stickstoff als Ursache der Dekompressionskrankheit anzusehen ist.
Die Stickstoffsättigung im Gewebe
Die Menge des gelösten Stickstoffes im Blut ist gemäß den Gesetzen von Dalton und Henry direkt vom
Partialdruck abhängig. Das Blut transportiert den Stickstoff in das Gewebe. In den einzelnen Geweben wird er
nun entsprechend dem Druckunterschied zwischen dem im Blut und im Gewebe gelösten Stickstoff abgegeben.
Der Prozeß geht zuerst sehr schnell, verlangsamt sich aber mehr und mehr, da der Druckunterschied geringer
wird. Bei Sättigung ist der Druck des im Gewebe gelösten Stickstoffes gleich dem Partialdruck in der
eingeatmeten Luft.
Der Stickstoff wird jedoch nicht von allen Geweben gleich schnell und in gleicher Menge aufgenommen. Jedes
Gewebe ist durch die Zeit bis zum Eintreten der halben Sättigung gekennzeichnet (HS-Zeit). Diese Zeitspanne
hängt nicht nur von dem Druck (Tauchtiefe) ab. Je nach Durchblutungsgrad kann man schnelle und langsame
Gewebe feststellen. Zur Kategorie des Langzeitgewebes gehören Knochengewebe, Bauchfett oder Augenlinse, die
erst nach 4-24 Stunden eine vollständige Sättigung erreicht haben. Zur Kategorie der schnellen Gewebe gehören
Gehirn, Herzmuskel sie sind schon nach etwa 30 min. gesättigt.
Die eigentliche Stickstoffmenge, welche das Gewebe aufnehmen kann, hängt von der Stickstofflöslichkeit des
jeweiligen Gewebes ab. In fetthaltigem Gewebe wird der Stickstoff zwar nur sehr langsam aufgenommen, da es
schlecht durchblutet ist, jedoch kann es bei vollständiger Sättigung fünf- bis sechsmal mehr Stickstoff lösen als
das gleiche Volumen Muskelgewebe.
Der Grad der Sättigung hängt also insgesamt ab von
der HS-Zeit bzw. Durchblutung des Gewebes
der Stickstofflöslichkeit
der Tauchtiefe (Stickstoffpartialdruck)
und der Tauchzeit
Dekompressionskrankheit
Während des Aufstieges geht der auf den Organismus ausgeübte hydrostatische Druck zurück, infolgedessen
ebenfalls der Druck des eingeatmeten Gases und die Spannung der im Blut gelösten Gase.
Zum Phänomen des Gasaustausches: Der Gasaustausch beginnt sich umzukehren, sobald der Druck der
Lungenluft unter den des im venösen Blut gelösten Stickstoffes fällt (nur bei vollständiger Sättigung ist er gleich
dem im arteriellen Blut, sonst liegt er darunter). Von diesem Augenblick an befinden sich die Gewebe im Zustand
der sogenannten Übersättigung. Die Spannung des im Gewebe gelösten Stickstoffs geht zurück, jedoch mit einer
mehr oder weniger großen Verzögerung je nach HS-Zeit. Ist die Aufstiegs-geschwindigkeit klein genug, so geht
der in den Geweben gelöste Stickstoff unter der Wirkung des Druckunterschiedes in das Blut über und wird auf
dem Niveau der Lunge frei. Auch die Entsättigung beginnt erst sehr schnell, und wird dann langsamer je
geringer der Druckunterschied zwischen Gewebe und Atemluft ist.
Geht der Aufstieg zu schnell vor sich, dann wird das instabile Gleichgewicht der Gasübersättigung zerstört, und
es bilden sich Bläschen (s.h. Öffnen einer Mineralwasserflasche).
Siehe auch Caissonkrankheit
Ursachen der Dekompressionskrankheit
Die Ursachen der Dekommpressionskrankheit sind die Gasblasen, deren Entstehung jedoch noch nicht restlos
geklärt ist. Nach Ehm entstehen, bei starkem Druckabfall kleine Löcher im Gefüge der Moleküle des Gewebes, in
die sofort Gasmoleküle eindringen und sich zu Mikrobläschen verbinden. Aus mehreren Mikrobläschen
entstehen größere Blasen. Es hängt nun von der Oberflächenspannung der Flüssigkeit ab, ob diese
Mikrobläschen wachsen und sich vereinigen, oder ob sie sich wieder auflösen. Die Gasspannung in der
Flüssigkeit darf den Aussendruck nicht um mehr als die erlaubte Überspannung übersteigen. Diese
Übersättigungstoleranz ist kein fester Wert, sonder ist abhängig vom Umgebungsdruck.
Manche Gewebe lassen an der Oberfläche eine Druckdifferenz von 3:1 ohne Blasenbildung zu, während bei
anderen schon eine Drucksenkung von 1,3:1 zu Dekompressionsunfällen führen kann.
Zusätzlich können folgende Faktoren eine Dekompressionunfall beeinflussen:
Alter (das Risiko steigt mit dem Alter)
Fettsucht, Fettleibigkeit
Mangelnde Kondition, Körperliche Anstrengung vor, während oder nach dem Tauchen
Konsum von Alkohol oder bestimmten Drogen bzw. Medikamenten
Kaltes Wasser
Krankheit oder Verletzung
Ermüdung, FIüssigkeitsmangel
Frauen können anfälliger sein, z.B. bei gleichzeitiger Einnahme von Kontrazeptiva ("Pille") und starkem
Rauchen
Dekompressionstauchgänge, Wiederholungstauchgänge, Fliegen nach dem Tauchen
Nach neuen Erkenntnissen erhöhen Infektionen (auch leichte, wie z.B. Erkältungen) das Risiko einer
Dekompressionskrankheit
Symptome der Dekompressionskrankheit
Die Symptome der Dekompressionskrankheit zeigen sich meist kurze Zeit nach dem Auftauchen, manchmal erst
nach Stunden, im allgemeinen aber innerhalb von 24 Stunden.
Symptome:
Taucherflöhe
Bends (Gelenk-, Muskel- und Knochenschmerzen)
Lähmungserscheinungen
Chokes (Luftembolien, Fettembolien)
Lähmungserscheinungen
Verhütung der Dekompressionskrankheit
Theoretisch müßte der Wiederaufstieg eines Tauchers stetig verlaufen, und die Druckverringerung, bezogen auf
die Zeit, müßte der Entsättigungskurve der Gewebe genau folgen. Praktisch ist dieser ideale Ablauf nicht zu
verwirklichen, weil er nicht zu überwachen ist. Man ist also gezwungen, den Entsättigungsverlauf durch lineare
Abschnitte nachzubilden. Dies führte zur Erstellung von Austauchtabellen (Dekotabellen) neuerdings
Tauchcomputer. Die Berechnungen und deren praktische Anwendung ergeben, daß sich der Stickstoff
entsprechend den Austauchstufen in immer länger entsättigende Gewebe verlagert. Dies bedeutet aber auch, daß
bei einem Wiederholungstauchgang der noch im Gewebe verbliebene Stickstoff- Restdruck berücksichtigt und
hinzugerechnet werden muß. Es gibt extra Tabellen für Wiederholungstauchgänge .
1. Dekompressionsunfall durch Überdehnung der Lunge
Während des Aufstiegs dehnt sich die komprimierte Luft in den Lungen gemäß dem Boyle-Mariottschen Gesetz
wieder aus. Kann die Luft aus irgendeinem Grunde nicht entweichen - z.B. wenn der Taucher beim Notaufstieg
nach Ablegen des Gerätes unter Wasser, oder beim Auftauchen nicht ständig ausatmet, so wird die Lunge
überdehnt.
Grundsätzlich ist jeder Sport- oder Berufstaucher gefährdet, da es zur Überdehnung der Lunge unabhängig von
Tauchtiefe und Tauchzeit kommen kann. Es wurden Unfälle beschrieben, bei denen ein Aufstieg aus 6 m Tiefe
(1,6 bar), also auch in heimischen Baggerseen, zum Lungenüberdruckunfall führte.
Bei der Lungenüberdehnung kann es zu drei verschiedenen Verletzungen kommen:
Einriß an der Lungenoberfläche mit Pneumothorax (Luft im Brustraum)
Einriß der Alveolarwand mit Luftembolie
Einriß mit Luftaustritt in den Mittelraum der Brust
Um den Lungenüberdruckunfall zu verhindern, sollte der Notaufstieg unter ungefährlichen Bedingungen immer
wieder geübt werden. Nur durch viel Üben kann der Anfänger und Fortgeschrittene die Angst vor einem
Notaufstieg verlieren und im Ernstfall überlegt handeln.
Behandlung der Dekompressionskrankheit durch Rekompression
Die einzig erfolgreiche Behandlung besteht in einer rasch einsetzenden Rekompression. Das Volumen der
Gasblasen im Blut und im Gewebe muß reduziert werden, um eine eventuelle Unterbrechung des Kreislaufes
aufzuheben.
Von einer Rekompression im Wasser muß in jedem Fall abgeraten werden. Statt dessen sollte der Verunglückte
so schnell wie möglich in einer Druckkammer unter Aufsicht eines Arztes behandelt werden.
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